Kategorien: Transformation, Leadership, Strategie, Organisation

Verantwortung empfinden – nicht nur tragen

Verantwortung empfinden – nicht nur tragen

In loser Folge sprechen wir mit NextGen-Unternehmerinnen und -Unternehmern über ihre Erfahrungen. Heute im Interview: Hanna Hesse, Leiterin Supply Chain bei Hesse Lignal. Für sie bedeutet Unternehmensführung, das Erbe früherer Generationen verantwortungsvoll weiterzuentwickeln – mit klaren Werten, partizipativer Führung und einer Kultur des Hinterfragens.

triljen: Was bedeutet es für Sie persönlich, Teil eines Familienunternehmens zu sein?

Hanna Hesse (Hesse Lignal): Vor allem eine große Verantwortung für unser 115 Jahre altes Unternehmen – gegenüber den Mitarbeitenden und dem, was Generationen vor mir aufgebaut haben. Ich sehe mich nicht als Eigentümer, sondern als Verwalter eines Erbes, das ich weiterentwickeln und verantwortungsvoll weitergeben möchte. Diese Haltung prägt mein tägliches Handeln: Entscheidungen müssen nicht nur heute sinnvoll sein, sondern auch morgen Bestand haben. Ich habe den Antrieb, Dinge zu schaffen, die auch in Zukunft funktionieren. Verantwortung bedeutet für mich nicht nur, sie zu tragen, sondern sie wirklich zu empfinden – und genau das motiviert mich. Es geht nicht darum, was ich aus dem Unternehmen herausholen kann, sondern darum, was ich hineinlegen kann, um es stärker und nachhaltiger zu machen.

Welche Themen treiben Sie aktuell um – kulturell, strategisch, organisatorisch?

Strategische Weiterentwicklung des operativen Geschäfts

Mein Hauptfokus liegt darauf, unser Tagesgeschäft kontinuierlich zu durchdenken und strategisch weiterzuentwickeln. Dabei geht es mir um eine konsequente Verbesserungskultur – jeden Tag ein Stück besser werden, durch kleine, aber nachhaltige Optimierungen. Diese schrittweise Entwicklung ermöglicht es uns, operative Exzellenz zu erreichen, ohne dabei das große Bild aus den Augen zu verlieren.

Werteorientierte Zusammenarbeit stärken

Kulturell bewegt mich besonders die Frage, wie wir eine noch stärkere werteorientierte Zusammenarbeit in unserem Unternehmen etablieren können. Es geht darum, gemeinsame Prinzipien nicht nur zu definieren, sondern sie täglich zu leben und in konkrete Entscheidungen einfließen zu lassen. Eine authentische Unternehmenskultur entsteht durch das Verhalten jedes Einzelnen – hier sehe ich großes Potenzial für nachhaltige Veränderungen.

Zukunftsfähigkeit für die kommenden Jahrzehnte

Organisatorisch treibt mich die Herausforderung um, unser Unternehmen so aufzustellen, dass es nicht nur für die nächsten Jahre, sondern für die kommenden Jahrzehnte erfolgreich bestehen kann. Das bedeutet, traditionelle Strukturen und Prozesse kritisch zu hinterfragen und gleichzeitig die Innovationskraft zu stärken.

Kultur des kritischen Hinterfragens

Ein roter Faden durch alle Bereiche ist für mich die Etablierung einer Kultur, in der wir bestehende Themen und Ansätze täglich hinterfragen. Nur durch diese kontinuierliche Reflexion können wir sicherstellen, dass wir den sich wandelnden Anforderungen des Marktes und unserer Stakeholder gerecht werden.

Wann und wie wurden Sie auf Ihre Rolle vorbereitet?

Meine Vorbereitung auf die heutige Rolle war alles andere als gradlinig – nach dem Abitur habe ich zunächst etwas völlig anderes gemacht. Über ein duales Wirtschaftsstudium kam ich schließlich zu Hesse und konnte dort Theorie und Praxis im Familienunternehmen verbinden. Ein berufsbegleitender Master sowie ein Jahr in einem branchenfremden Unternehmen haben meinen Blick erweitert und meine betriebswirtschaftlichen Kompetenzen gestärkt. Zurück bei Hesse habe ich in verschiedenen Bereichen gearbeitet und schrittweise Führungsverantwortung übernommen – bis hin zur Leitung der Supply Chain. Die Vorbereitung hört dabei nie auf: Ich besuche regelmäßig Seminare, nehme Kommunikations- und Nachfolge-Coachings in Anspruch und bilde mich laufend auf Vorträgen und Kongressen weiter.

Wo erleben Sie Wandel – und wo vielleicht auch Reibung?

Reibung entsteht schon allein dadurch, dass ich als weibliche Nachfolgerin eine neue Rolle einnehme. Ich setze auf mehr Zuhören statt Dominanz, auf Zusammenarbeit statt Hierarchie – und bringe damit andere Perspektiven ein. Dieses Hinterfragen führt natürlich auch zu Reibung mit Mitarbeitenden, Führungskräften und auch der Geschäftsführung. Aber genau diese Reibung ist notwendig, um Wandel und Weiterentwicklung zu ermöglichen. Für mich ist sie kein Störfaktor, sondern ein Zeichen von Bewegung und Veränderung.

Was haben Sie aus der Erfahrung der älteren Generation übernommen – und was machen Sie bewusst anders?

Aus der Erfahrung der älteren Generation übernehme ich das umfassende Wissen meines Vaters – seine jahrzehntelange Betriebserfahrung ist unschätzbar wertvoll für Entscheidungen.

Bewusst anders mache ich drei Dinge: Erstens setze ich auf partizipative Führung und beziehe Mitarbeitende in Entscheidungsprozesse ein, wo immer möglich. Zweitens hinterfrage ich aktiv eingefahrene Strukturen, die wir „schon immer so" gemacht haben. Drittens digitalisiere ich Prozesse durch messbare Kennzahlen und klare Zielvorgaben.

Ein weiterer wichtiger Unterschied liegt in der Kommunikation: Ich investiere bewusst in transparente, regelmäßige Mitarbeiterkommunikation, um alle über wichtige Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten.

Sie haben vor ca. sechs Jahren im Unternehmen einen integrierten Marken- und Kulturprozess (Leadership Branding) durchlaufen. Haben sich daraus wirksame Ergebnisse und Impulse für Ihre Arbeit ergeben?

Ja, der integrierte Marken- und Kulturprozess hat definitiv wirksame Ergebnisse und nachhaltige Impulse für unsere Führungsarbeit gebracht. Der Prozess wurde von Fette Beute (Anm. der Redaktion: triljen ist das Unternehmen der FETTE BEUTE Gruppe, in dem diese Themen jetzt zuhause sind) und USN begleitet und hat in den letzten fünf Jahren dazu geführt, dass sich die wertebasierte Führung zu einem zentralen Baustein entwickelt hat, der unser tägliches Handeln prägt. Besonders wichtig ist uns dabei geworden, dass jeder neue Mitarbeiter systematisch abgeholt und in unsere Unternehmenskultur mitgenommen wird.

Die drei Kernwerte "kompetent", "verantwortungsvoll" und "inspirativ" sind nicht nur theoretische Leitlinien geblieben, sondern leiten uns ganz konkret im Führungsalltag. Sie helfen dabei, konsistente Entscheidungen zu treffen und authentisch zu führen. Durch die intensive Arbeit mit Mitarbeitern und Führungskräften über diese Jahre hinweg hat sich ein echter Kulturwandel vollzogen.

Einen besonderen Fokus legen wir dabei auf das Team, denn der Grundsatz „gemeinsam vollenden“ rundet unseren gesamten Führungsansatz ab. Trotzdem ist es Arbeit. Tag für Tag. Schritt für Schritt. Und jeder ist beteiligt. Der Leadership Branding-Prozess hat somit nicht nur oberflächliche Veränderungen bewirkt, sondern eine echte Transformation in der Art geschaffen, wie wir führen und zusammenarbeiten. Die Werte sind vom Papier in den Arbeitsalltag übergegangen und haben sich als praktisches Führungsinstrument bewährt, das kontinuierliche Anstrengung und das Engagement aller Beteiligten erfordert.

Sind auch Sie unternehmerisch aktiv? Gehören Sie zur NextGen? Denken Sie gerade darüber nach, in eine Führungsrolle in Ihrem Familienunternehmen einzusteigen? Dann lassen Sie uns ins Gespräch kommen: über Erfahrungen, Herausforderungen und die besonderen Chancen, die diese Verantwortung mit sich bringt.

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