KI-Governance für Familienunternehmen: Was Sie jetzt konkret tun müssen
Die EU-KI-Verordnung (bekannt auch unter der englischen Bezeichnung „EU AI Act“) kommt. Aber das ist nicht Ihr Hauptproblem. Ihr Hauptproblem ist: KI läuft längst in Ihrem Unternehmen – und unsere Erfahrung zeigt: oft ohne, dass Sie es steuern.
Mitarbeitende nutzen ChatGPT für E-Mails. Der Vertrieb experimentiert mit KI-Tools. Das Marketing generiert Bilder. Niemand hat Sie gefragt. Niemand dokumentiert es. Und niemand weiß, welche Daten gerade wo landen.
Das ist die Realität in den meisten Familienunternehmen.
Die Frage ist nicht, ob Sie KI nutzen wollen. Die Frage ist: Wie stellen Sie sicher, dass das kontrolliert, sicher und gewinnbringend geschieht?
Genau dafür brauchen Sie KI-Governance. Nicht als Bürokratie-Übung, sondern als Management-Instrument.
Warum Sie jetzt handeln müssen
Drei Risiken stehen im Raum:
Risiko 1: Datenlecks und Compliance-Verstöße
Vertrauliche Kundendaten, Strategiepapiere, Kalkulationen – all das kann in KI-Tools landen, die auf fremden Servern laufen. Ein Datenschutzverstoß kostet Sie nicht nur Geld, sondern Reputation und Vertrauen.
Risiko 2: Unkontrollierte Schatten-IT
Wenn Sie keine klaren Regeln haben, schaffen Ihre Mitarbeitenden ihre eigene Realität. Tool-Wildwuchs entsteht. Niemand weiß mehr, was wo läuft. Und im Ernstfall können Sie nicht nachweisen, dass Sie Ihrer Sorgfaltspflicht nachgekommen sind.
Risiko 3: Verpasste Chancen
Ohne Governance herrscht Unsicherheit. Mitarbeitende trauen sich nicht, KI wirklich zu nutzen – aus Angst, etwas falsch zu machen. Innovation bleibt stecken, weil der Rahmen fehlt. Das ist eine echte Gefahr: Deutschland braucht Innovation, unsere Familienunternehmen stehen für Innovation und die Mitarbeitenden dürfen niemals das Gefühl bekommen, dass Ihre guten Ideen keinen Platz haben.
Die KI-Verordnung verschärft diese Situation nicht. Sie macht sichtbar, was ohnehin notwendig ist. Wenn es sie nicht gäbe, könnten sie das Thema also auch nicht sich selbst überlassen.
Vorteile als Familienunternehmen weiter nutzen
Sie haben gegenüber Konzernen drei entscheidende Stärken:
- Kurze Entscheidungswege: Sie können schnell handeln, ohne durch zehn Gremien zu müssen.
- Direkter Draht zu den Teams: Sie wissen, was läuft, und können direkt eingreifen.
- Pragmatische Kultur: Sie können Dinge einfach halten, statt sie zu verkomplizieren.
Nutzen Sie diese Vorteile jetzt. Große Unternehmen ersticken in Prozessen. Sie können in Wochen umsetzen, wofür andere Monate brauchen.
Die sechs Schritte zur funktionierenden KI-Governance
Schritt 1: Schaffen Sie Transparenz – welche KI-Tools laufen bereits?
Was zu tun ist:
Führen Sie eine Bestandsaufnahme durch. Fragen Sie Ihre Mitarbeitenden direkt:
- Welche KI-Tools nutzen Sie?
- Wofür setzen Sie sie ein?
- Welche Daten geben Sie hinein?
Erstellen Sie eine einfache Liste: Tool-Name, Einsatzbereich, verantwortliche Person.
Warum das wichtig ist:
Was Sie nicht kennen, können Sie nicht steuern. Ohne Inventur fehlt Ihnen die Grundlage für jede weitere Entscheidung.
Zeitaufwand: 1–2 Wochen
Verantwortlich: IT-Leitung oder externer Berater, koordiniert durch Geschäftsführung
Schritt 2: Bewerten Sie die Risiken – was ist kritisch, was nicht?
Was zu tun ist:
Gehen Sie Ihre Tool-Liste durch und ordnen Sie jedes Tool nach Risiko ein:
- Grün: Unkritische Tools (z.B. Rechtschreibprüfung, einfache Bildbearbeitung)
- Gelb: Sensible Anwendungen (z.B. KI-basierte Textgenerierung mit internen Infos)
- Rot: Hochrisiko-Tools (z.B. automatisierte Entscheidungen zu Personal, Kredit, Zugang)
Für jede Kategorie legen Sie fest:
- Welche Freigabeprozesse gelten?
- Welche Dokumentationspflichten bestehen?
- Wer darf welche Tools nutzen?
Warum das wichtig ist:
Nicht jede KI-Anwendung ist gleich riskant. Mit einem Ampelsystem schaffen Sie Klarheit und vermeiden Überregulierung. Mitarbeitende können bei „grünen" Tools selbstständig arbeiten, während „rote" Tools strengen Kontrollen unterliegen.
Zeitaufwand: 1 Woche
Verantwortlich: Geschäftsführung gemeinsam mit Datenschutzbeauftragtem
Schritt 3: Definieren Sie klare Regeln – was ist erlaubt, was verboten?
Was zu tun ist:
Erstellen Sie eine KI-Richtlinie. Maximal drei Seiten. Klar und verständlich.
Inhalt:
- Erlaubte Tools – Liste genehmigter Anwendungen
- Verbotene Nutzung – Was darf nicht in KI-Tools eingegeben werden (Personaldaten, Geschäftsgeheimnisse, Kundendaten ohne Prüfung)
- Kennzeichnungspflicht – Wann muss erkennbar sein, dass KI genutzt wurde (z.B. bei extern sichtbaren Inhalten)
- Freigabeprozess – Wer muss neue Tools prüfen und genehmigen?
- Meldepflichten – Was muss dokumentiert werden?
Beispielformulierung:
„Mitarbeitende dürfen KI-Tools für Textentwürfe, Übersetzungen und Recherchen nutzen. Vertrauliche Informationen (Kundendaten, Kalkulationen, Strategiedokumente) dürfen nicht in externe KI-Tools eingegeben werden. Neue Tools müssen vor der Nutzung von der IT-Leitung freigegeben werden. KI-generierte Inhalte, die extern kommuniziert werden, müssen von einer verantwortlichen Person geprüft werden."
Warum das wichtig ist:
Ohne klare Regeln entsteht Chaos. Mitarbeitende brauchen Orientierung – keine 50-seitige Rechtsabhandlung, sondern konkrete Antworten auf konkrete Fragen.
Zeitaufwand: 1 Woche
Verantwortlich: Geschäftsführung, idealerweise mit rechtlicher Beratung
Schritt 4: Klären Sie Verantwortlichkeiten – wer ist zuständig?
Was zu tun ist:
Benennen Sie eine konkrete Person als KI-Verantwortliche/n. Das kann Ihre IT-Leitung sein, ein Mitarbeiter, der mit den Tools vertraut ist, ein externer Berater oder Sie selbst.
Diese Person ist zuständig für:
- Prüfung und Freigabe neuer Tools
- Pflege der Tool-Liste
- Aktualisierung der Richtlinie
- Ansprechpartner für Fragen
- Koordination von Schulungen
- Überwachung der Einhaltung
Zusätzlich: Definieren Sie Eskalationswege. Wer entscheidet im Zweifel? Wer wird informiert bei Vorfällen?
Warum das wichtig ist:
Governance ohne Ownership ist wertlos. Wenn niemand zuständig ist, passiert nichts. Wenn alle zuständig sind, auch nicht.
Zeitaufwand: 1 Tag
Verantwortlich: Geschäftsführung
Schritt 5: Dokumentieren Sie alles – Ihr Schutzschild im Ernstfall
Was zu tun ist:
Legen Sie eine zentrale Dokumentation an. Digital, zugänglich, strukturiert.
Was dokumentiert werden muss:
- Welche KI-Tools sind im Einsatz? (Tool-Inventar)
- Welche Risikobewertungen wurden durchgeführt?
- Welche Entscheidungen wurden getroffen? (Freigaben, Verbote)
- Welche Schulungen wurden durchgeführt? (Teilnehmerlisten, Inhalte)
- Welche Vorfälle sind aufgetreten? (Probleme, Datenpannen, Erkenntnisse)
- Wer ist verantwortlich? (Rollen, Zuständigkeiten)
Nutzen Sie einfache Tools: Excel, SharePoint, ein Wiki – Hauptsache, es ist aktuell und vollständig.
Warum das wichtig ist:
Im Falle einer Prüfung oder eines Vorfalls müssen Sie nachweisen können, dass Sie verantwortungsvoll gehandelt haben. Dokumentation ist Ihr Versicherungsschutz. Was nicht dokumentiert ist, ist rechtlich nicht passiert.
Zeitaufwand: laufend, 2–3 Stunden pro Monat
Verantwortlich: KI-Verantwortliche/r
Schritt 6: Schulen Sie Ihre Mitarbeitenden – Wissen schützt
Was zu tun ist:
Führen Sie Pflichtschulungen durch. Mindestens einmal jährlich, bei neuen Mitarbeitenden sofort.
Inhalte:
- Warum gibt es KI-Governance?
- Welche Regeln gelten in unserem Unternehmen?
- Welche Tools sind erlaubt, welche nicht?
- Was darf in KI-Tools eingegeben werden, was nicht?
- Wie kennzeichne ich KI-generierte Inhalte?
- An wen wende ich mich bei Fragen?
- Was mache ich, wenn ich unsicher bin?
Format: 60–90 Minuten, interaktiv, mit Praxisbeispielen aus Ihrem Unternehmen.
Warum das wichtig ist:
Ihre beste Firewall sind informierte Mitarbeitende. Wer weiß, worauf es ankommt, macht weniger Fehler. Und: Schulung ist rechtlich vorgeschrieben – Sie erfüllen damit eine Nachweispflicht.
Zeitaufwand: Vorbereitung 1 Woche, Durchführung 1,5 Stunden pro Gruppe
Verantwortlich: KI-Verantwortliche/r oder externer Trainer
Was die EU-KI-Verordnung konkret von Ihnen verlangt
Die Verordnung teilt KI-Systeme in Risikoklassen ein:
Hochrisiko-KI: Systeme, die erhebliche Auswirkungen auf Menschen haben (z.B. Personalentscheidungen, Kreditvergabe, Zugangskontrollen). Hier gelten strenge Anforderungen: Risikoanalyse, Dokumentation, menschliche Aufsicht, Transparenz.
Begrenzt riskante KI: Chatbots, Deepfakes, generierte Inhalte. Hier gilt vor allem: Kennzeichnungspflicht. Nutzer müssen erkennen können, dass sie mit KI interagieren oder dass Inhalte KI-generiert sind.
Geringes Risiko: Die meisten Standard-Tools. Hier gelten nur Grundpflichten wie Datenschutz.
Für die meisten Familienunternehmen relevant:
Sie nutzen vermutlich keine Hochrisiko-Systeme. Aber Sie nutzen wahrscheinlich Tools, die unter „begrenztes Risiko" fallen: Textgeneratoren, Bild-KI, Chatbots.
Ihre Pflicht: Kennzeichnung und Transparenz. Stellen Sie sicher, dass erkennbar ist, wenn KI im Spiel war.
Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis
Viele Beratungen verkaufen Ihnen jetzt komplexe Compliance-Programme. Das brauchen Sie nicht.
Was Sie brauchen:
- Eine klare Tool-Liste (1 Seite)
- Eine einfache Richtlinie (2-3 Seiten)
- Einen Verantwortlichen (1 Person)
- Eine Schulung (90 Minuten)
- Ein Dokumentationssystem (Excel reicht)
Was Sie nicht brauchen:
- 50-seitige Handbücher
- Externe Zertifizierungen (noch nicht)
- Neue Software-Lösungen
- Zusätzliche Vollzeitstellen
Halten Sie es einfach. Starten Sie klein. Lernen Sie unterwegs. Passen Sie an.
Zeitplan: So setzen Sie KI-Governance in 8 Wochen um
Woche 1–2: Inventur durchführen, Tools erfassen
Woche 3: Risikobewertung (Ampelsystem)
Woche 4: Richtlinie schreiben
Woche 5: Verantwortlichkeiten klären, Dokumentationssystem aufsetzen
Woche 6–7: Schulungen vorbereiten und durchführen
Woche 8: Roll-out, Kommunikation im Unternehmen
Danach: Quartalsweise Review, jährliche Schulungsauffrischung
Was passiert, wenn Sie nichts tun?
Seien wir ehrlich: Die Wahrscheinlichkeit, dass morgen die Aufsichtsbehörde bei Ihnen auf der Matte steht, ist gering. Die KI-Verordnung wird schrittweise umgesetzt, die Kontrollen kommen später.
Aber:
- Jedes Datenleck kostet Sie Geld und Reputation – heute schon.
- Jede unkontrollierte KI-Nutzung ist ein Haftungsrisiko – heute schon.
- Jede fehlende Transparenz macht Sie angreifbar – heute schon.
Und wenn in zwei Jahren die ersten Bußgelder verhängt werden, wird die Frage gestellt: „Haben Sie Ihre Sorgfaltspflicht erfüllt?"
Wenn die Antwort „Nein" lautet, wird es teuer.
Governance schafft Freiraum, nicht Bürokratie
Der größte Irrtum: Governance bremst Innovation.
Die Wahrheit: Governance ermöglicht Innovation.
Ohne klare Regeln herrscht Unsicherheit. Mitarbeitende trauen sich nicht, neue Tools auszuprobieren. Jeder fragt: „Darf ich das?" – und bekommt keine Antwort.
Mit klaren Regeln wissen alle, wo der Rahmen ist. Innerhalb des Rahmens können sie experimentieren, lernen, ausprobieren. Sie arbeiten schneller, selbstbewusster, effizienter.
Das ist der eigentliche Gewinn: Nicht Compliance, sondern Handlungsfähigkeit.
Ihr nächster Schritt
Sie haben jetzt einen klaren Plan. Sechs Schritte, acht Wochen, umsetzbar mit Bordmitteln.
Starten Sie diese Woche.
Setzen Sie einen Termin für Ihre Bestandsaufnahme. Sprechen Sie mit Ihrer IT-Leitung. Fragen Sie Ihre Teams, welche Tools sie nutzen.
Wenn Sie externe Unterstützung brauchen – holen Sie sie. Aber warten Sie nicht auf den perfekten Moment. Der kommt nicht.
KI-Governance ist keine Pflichtübung. Sie ist ein Wettbewerbsvorteil.
Unternehmen, die jetzt handeln, haben in zwei Jahren einen klaren Vorsprung: rechtlich sauber, operativ effizient, kulturell stark.
Ihre Mitarbeitenden arbeiten selbstbewusst mit KI. Ihre Daten sind geschützt. Ihre Prozesse sind transparent. Und Sie können nachweisen, dass Sie Ihrer Verantwortung gerecht werden.
Das ist kein Nice-to-have. Das ist einfach notwendig.
Fangen Sie an.
Sie Fortschritt statt Bürokratie und Reglementierung? Sie wollen die KI-Verordnung der EU bei sich im Unternehmen wenn schon nötig, dann auch sinnvoll umsetzen, generell Überblick gewinnen und gemeinsame Grundlagen schaffen? Dann könnte unser eintägiger KI-Workshop für Sie spannend sein.
Gender Disclaimer
Vielfalt first: Jede Person ist einzigartig. Wir schreiben kurz, klar und bunt – weil’s ums Wesentliche geht. Die maskuline Form dient der Lesbarkeit und ist keine Bewertung. Es lebe der Unterschied!