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Resilienz heißt nicht Zähne zusammenbeißen

Ralph Goldschmidt
Im triljen-Podcast sprechen wir darüber mit Ralph Goldschmidt – Coach, Speaker und krisenerprobter Lebenskünstler – über die Kunst des Aufstehens, die Macht der Akzeptanz und warum Veränderung bei der Haltung beginnt.

Die Zeiten sind rau, der Druck steigt – nicht nur in der Wirtschaft. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer, Führungskräfte und Mitarbeitende fühlen sich getrieben, überfordert oder schlicht erschöpft. Resilienz gilt dabei als Zauberwort: die Fähigkeit, Krisen zu meistern, ohne daran zu zerbrechen. Doch wie entwickelt man diese innere Widerstandskraft? 

Hören Sie das Interview in voller Länger in unserem triljen-Podcast:

 


Lesen Sie hier die Zusammenfassung:

„Ich habe in der Tiefe erlebt, was es heißt, Mensch zu sein“

Joachim Schwichtenberg (triljen): Ralph, Deine Karriere ist vielseitig – Volkswirt, Sportwissenschaftler, Coach, Speaker. Was hat dich am meisten geprägt?

Ralph Goldschmidt: Sicherlich nicht der akademische oder berufliche Werdegang. Mich hat am tiefsten meine Kindheit geprägt – wie bei den meisten Menschen. Danach kamen Jahre intensiver Selbsterfahrung. Ich habe viel ausprobiert, um mich selbst und das Leben in seiner Tiefe zu verstehen – mit all seinen Höhen und Tiefen. Diese Auseinandersetzung mit mir selbst, besonders in krisenhaften Situationen, hat mich geformt.

Auf deiner Website bezeichnest du dich als „krisenerprobten, inspirierenden und humorvollen Lebenskünstler“. Was steckt dahinter?

Der Begriff „Lebenskünstler“ beschreibt es ganz gut. Das Leben mit all seinen Herausforderungen nicht nur zu bewältigen, sondern ihm auch mit Humor zu begegnen – das ist für mich entscheidend. Gerade wenn’s hart wird, ist Humor ein echtes Überlebensmittel.

„Nicht kämpfen – annehmen“

Resilienz ist in aller Munde. Was bedeutet dieses Wort für dich ganz persönlich?

Mein erstes Bild ist das eines Stehaufmännchens – ein Sinnbild für die Fähigkeit, immer wieder aufzustehen. Ursprünglich stammt der Begriff aus der Physik: Wenn ein Material nach einer Verformung in seinen Ursprungszustand zurückkehrt, spricht man von Resilienz. Übertragen auf die Psychologie geht es um seelische Widerstandskraft – und die ist heute gefragter denn je. Corona, Lieferkettenprobleme, Generationenkonflikte, geopolitische Unsicherheiten – all das trifft gerade Familienunternehmen mit voller Wucht. Aber wie heißt es so schön: Schwimmen lernt man nicht am Beckenrand, sondern im Wasser. Resilienz entwickelt sich in der Krise, nicht im Lehrbuch.

Viele empfinden die Situation als überwältigend. Was kann helfen, wenn der Druck zu groß wird?

Das Erste – und Schwerste – ist radikale Akzeptanz. Die meisten leiden nicht an der Situation selbst, sondern an der Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Der Wunsch wäre: volle Auftragsbücher, motivierte Mitarbeitende, politische Stabilität. Die Realität sieht oft anders aus. Solange ich dagegen ankämpfe, verliere ich. Erst wenn ich akzeptiere, dass es so ist – ohne es gutheißen zu müssen – öffnet sich ein neuer Handlungsspielraum.

Aber Akzeptanz fühlt sich schnell wie Kapitulation an.

Das höre ich oft. Aber das Gegenteil ist der Fall: Erst durch Akzeptanz entsteht Kraft. Widerstand bindet Energie. Wenn ich hingegen sage: „Ja, so ist es jetzt gerade, auch wenn ich es gerne anders hätte“, dann lösen sich Enge, Ohnmacht und Frust. Plötzlich werden neue Perspektiven sichtbar. Ich nenne das den Übergang vom Tunnelblick zur Rundumsicht.

Kann man diese Haltung trainieren?

Absolut. Zum Beispiel durch eine kleine Wahrnehmungsübung: Schau dich zehn Sekunden in deinem Büro um und präge dir alles ein, was braun ist. Danach – mit geschlossenen Augen – versuch dich zu erinnern, was grün war. Meistens fällt einem dazu wenig ein. Das zeigt: Wir sehen, was wir fokussieren. Wenn ich in der Krise nur noch auf das „Braune“, das Schlechte, blicke, wird mir das „Grüne“, das Hoffnungsvolle, entgehen. Es geht nicht darum, Probleme zu verdrängen, sondern den Blick wieder zu weiten.

„Mindset ist ansteckend – im Guten wie im Schlechten“

Viele Unternehmer:innen arbeiten an ihrem eigenen Mindset – aber sie sind nicht allein. Was kann ich tun, wenn das Umfeld toxisch ist?

Toxische Stimmung ist oft ansteckender als Motivation. Du kommst in ein Unternehmen, öffnest die Tür – und spürst sofort: Hier herrscht Frust, Jammern, Zynismus. Das ist oft keine bewusste Entscheidung, sondern eine erlernte Haltung. Gerade im mittleren Management ist der Druck enorm: Erwartungen von oben, Verantwortung für unten. Da hilft kein Appell, sondern nur Einladung zur Reflexion.

Was meinst du mit Einladung?

Du kannst niemandem ein neues Mindset „verordnen“. Aber du kannst Menschen spiegeln, wie destruktiv ihr Verhalten für sie selbst ist. Ein Klassiker: Man legt sich im Kollegenkreis sinnbildlich die Hand auf die Schulter, sagt: „Wir armen Schweine“, und badet im kollektiven Selbstmitleid. Kurzfristig tut das gut – langfristig raubt es Energie. Veränderung beginnt damit, sich selbst zu fragen: „Wofür will ich meine Kraft verwenden?“

Was ist da ein guter Kompass?

Stephen Covey hat das schön beschrieben mit drei Kreisen:

  1. Der äußere Kreis umfasst alles, was mich betrifft, aber worauf ich keinen Einfluss habe – Politik, Weltgeschehen, Entscheidungen von „oben“.

  2. Der mittlere Kreis steht für meinen Einflussbereich – wie ich kommuniziere, mit wem ich mich umgebe, was ich konsumiere.

  3. Der innerste Kreis ist mein Kontrollbereich – meine Haltung, meine Handlungen.
    Je mehr ich mich auf den innersten Kreis konzentriere, desto mehr erlebe ich Selbstwirksamkeit. Und das ist der zentrale Baustein von Resilienz – das Gefühl: Ich kann etwas bewirken, auch wenn die Umstände schwierig sind.

„Ich habe nicht immer Lust auf Wandel – aber ich akzeptiere ihn“

Noch ein paar persönliche Fragen zum Schluss: Frühaufsteher oder Nachteule?

Frühaufsteher.

Ordnung oder kreatives Chaos?

Definitiv kreatives Chaos – mit dem Wunsch nach mehr Ordnung.

Joggen oder Yoga?

Aktuell mit frisch operiertem Knie gar nichts – aber normalerweise: Joggen.

Wandel lieben oder ertragen?

Manchmal so, manchmal so. Selber verändern ist schöner als verändert werden – aber Ertragen gehört auch dazu.

Lieber Ralph, vielen Dank für deine Zeit, deine Offenheit und deine ehrlichen Gedanken. Das Gespräch war inspirierend – und ermutigend.

Danke dir, Jo! Es war mir eine Freude. Und: Resilienz ist kein Ziel – sondern ein Weg. Und den gehen wir alle.

Erleben auch, dass es auf die vielfältigen Herausforderungen dieser Tage, die Ihnen als Unternehmer begegnen, keine einfachen Antworten gibt? Haben Sie Sorge, dass die Stimmung im Team darunter leiden und die Produktivität sich verringern könnte?

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