Kategorien: Corporate Culture, Transformation, Agilität, Strategie Warum wir uns auf den Generationenwechsel freuen sollten

Warum wir uns auf den Generationenwechsel freuen sollten

Viele Familienunternehmen stehen vor dem Sprung in die nächste Generation. Aber es ist gar nicht so einfach, die Nachfolge gut zu gestalten. Die Kandidatin oder der Kandidat  sollte idealerweise strategisch, fachlich und nicht zuletzt menschlich passen. Um es auf die Spitze zu treiben, sollte man auch die Werte und Überzeugungen der übergebenden Unternehmerpersönlichkeit teilen, da man in der Übergangsphase noch eine ganze Weile im Parallelbetrieb die anstehenden Aufgaben erfüllt.

In vielen Gesprächen mit Familienunternehmern hören wir immer wieder: Es ist nicht mehr die goldene  Regel, dass ein Nachfolger aus der eigenen Familie kommt. Und auch hierüber herrscht Konsens: Es macht keinen Sinn, Kinder in die Fußstapfen ihrer Eltern zu pressen -  das würde weder die Eltern noch die Kinder glücklich machen. Dann bleibt eine externe Nachfolge, die gut laufen kann oder auch nicht.

Wer sein Unternehmen in familienfremde Hände gibt, hat eine erlebnisreiche Zeit vor sich. Auch das hören wir immer wieder in Schilderungen aus erster Hand. Immer häufiger setzt sich deshalb bei der externen Nachfolge in der Geschäftsführung eines Familienunternehmens die Einrichtung oder Professionalisierung eines Beirates durch, indem Familienmitglieder und externe Begleiter in wichtigen Entscheidungen nach wie vor beraten und/oder kontrollieren.

Auch bei einer innerfamiliären Nachfolge ist diese Zeit des Übergangs erlebnisreich – aber anders. Dass die Kinder, Schwiegertöchter oder -söhne, Enkel, Nichten oder Neffen ihren eigenen Kopf haben, darauf sind wir als Familie ja sogar stolz. Aber viele Unternehmerinnen und Unternehmer, mit denen wir darüber sprechen, geben dann doch zu, dass es für sie eine Erfahrung ist, wenn Bewährtes und scheinbar Selbstverständliches in dieser Phase mal mehr, mal weniger offensiv hinterfragt wird.

Töchter und Söhne, Neffen und Nichten, die oft schon in jungen Jahren Praktika oder erste Berufserfahrungen in anderen Unternehmen gemacht haben, erkennen sehr schnell, dass mit der Unternehmerrolle eine Menge Verantwortung und Arbeit verbunden ist. Natürlich gibt es auch viele gute Seiten und eine Belohnung, aber leicht gemacht wird es einem nicht.

Warum tu ich mir das an?

Das könnte sich der Unternehmernachwuchs und das können auch wir selbst uns fragen. Wir können uns dann aber auch die Frage stellen: Was ist die Alternative?

Zumindest für die übergebende Unternehmergeneration ist die Antwort schnell gefunden: Ist es nicht erfüllend, unternehmerische Freiheit zu leben, selbst gestalten zu können und zu beeinflussen, wie sich Dinge und vor allem der Erfolg entwickeln? Liegt es nicht auch in unserer DNA als Unternehmer, der Name sagt es schon, einfach die - hoffentlich - richtigen Dinge zu unternehmen? Würde uns nicht etwas fehlen, wenn wir irgendwo ein Rad in einer fremden Organisation wären? Und selbst, wenn es aufgrund unserer Erfahrung ein großes Rad wäre, an dem wir drehen und es auch hierfür ein sicheres Schmerzensgeld gäbe - wäre es dasselbe? Unternehmertum ist doch etwas Großartiges.

Ich möchte nicht in das allgemeine Lied über überbordende Bürokratie, fehlende Fachkräfte und die vielen Fragezeichen an der Wand einstimmen. Unsere Welt hat ernste Probleme, das Umfeld ist für viele Unternehmen schwierig - keine Frage. Aber die Unternehmensnachfolge wartet deswegen nicht.

Gehört es aber nicht zu den spannendsten Erfahrungen und auch weitreichendsten Entscheidungen in einem Unternehmerleben, den Übergang in die nächste Generation zu gestalten?

Vermutlich lernen wir in dieser Phase mindestens so viel wie bei unserem Start ins Business. Aber mit anderen Themen: War man jahrelange damit beschäftigt, Produkte und Services zu entwickeln, die funktionieren, stellt man sich zu Beginn des Ende seiner Schaffungsperiode vielleicht die Frage: Was davon sollten wir besser sein lassen oder grundlegend erneuern? Wer sich am Beginn seiner Unternehmerlaufbahn gefreut hat, überhaupt Aufträge zu bekommen, denkt jetzt daran, wie er das mühsam Aufgebaute möglichst gut in die Hände der künftigen Lenker geben kann. Hätte uns das jemand vor 30 Jahren gesagt, dann hätten wir vielleicht gesagt: Luxusprobleme. Jetzt haben wir sie.

Viele Unternehmer, die den Übergang auf die nächste Generation hinter sich haben, schildern: Die Unternehmensstruktur, die Gesellschafteranteile, die steuerlichen und juristischen Themen - all das lässt sich regeln. Die meisten sagen aber, dass sie unterschätzt haben, wieviel Kommunikation erforderlich ist. Mit den Nachfolgern selbst, mit der Familie, mit den Mitarbeitern, mit Kunden und anderen relevanten Entscheidern im Umfeld. Es geht darum, Rollen zu klären, einen sauberen Übergang zu gestalten und darum, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Das heißt: nicht zu früh zu gehen, aber auch nicht zu lange zu bleiben. Und jeder hat hinterher ein paar Ideen, wie er es beim zweiten Mal besser machen würde.

Mehr als die eigene Nachfolge

Dazu gehört oft auch die Erkenntnis, dass der Generationenwechsel nicht nur auf der Geschäftsführungs- und Gesellschafterebene stattfindet. Es reicht nicht, die eigene Nachfolge zu regeln. Genau so wichtig ist, die Menschen, ohne die das Unternehmen nicht funktioniert, an diesen Veränderungen zu beteiligen. Es gilt, vor allem die Leistungsträger bei der Stange zu halten, den Nachwuchs insgesamt zu stärken und den Wechsel an der Spitze zu nutzen, um das Unternehmen personell und strukturell zukunftssicher aufzustellen – auch in der zweiten und dritten Führungsebene. Aktuell beobachten wir stark, dass die Geschäfts- und Bereichseiter in den Familienunternehmen auch nicht mehr weit vor der Übergabe an die nächste Generation stehen.

Der Generationenwechsel findet aber auch in den Köpfen statt:  Ich bin selbst im Umfeld eines kleinen Familienunternehmens aufgewachsen, meine Oma Mathilde führte einen Lebensmittelhandel und eine Bäckerei. In meinen ersten zehn Berufsjahren durfte ich dann bei einem, für unsere Region so typischen Weltmarktführer eine Versiebenfachung im Unternehmenswachstum miterleben und auch ein wenig mitgestalten. Die Dynamik, das Miteinander, die Leistungskultur haben mich geprägt.

Ich denke und höre es auch immer wieder, dass viele Unternehmer meiner Generation ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Aber ganz ehrlich, sind wir nicht auch alle Kinder unserer Zeit? 
Die NextGen, die eines Tages in unsere Fußstapfen tritt? Wie blickt die auf die Dinge? Was sieht die so?

Die neue Generation bringt, wenn sie einsteigt, neue Blickwinkel, neue Kompetenzen, neue Ideen, neue Ideale ein. KI first, mehr Kooperation über Unternehmensgrenzen hinaus, noch mehr Miteinander auf Augenhöhe, vielleicht auch den Wunsch nach einer besseren Balance von Privatem und Beruf. Alles gute Themen. Aber vielleicht auch Themen, an die wir uns mit unseren Leistungsprinzipien teilweise erst noch gewöhnen müssen. 

Einschlägige Studien wie die der Stiftung Familienunternehmen sehen als Chancen-Themen der NextGen Digitalisierung, Wachstum und Innovation. Auf der To-Do-Liste der übernehmenden Generation ganz oben stehen Themen wie das Etablieren neuer Prozesse, die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, das Erschließen neuer Geschäftsfelder und die Veränderung der Führungskultur. 

Mit vielen dieser Themen sollte man nicht eine Dekade warten, sondern besser vorgestern schon begonnen haben. Aber wer, wenn nicht die nachfolgende Generation, kann das Rüstzeug und den nötigen Mindset für diesen Wandel mit sich bringen? Höchste Zeit, diese Anliegen der jungen Unternehmergeneration ernst zu nehmen. Denn wer ein Unternehmen übergibt, sollte sich damit anfreunden, dass schon der Prozess des Übergangs an sich nicht mehr zu 100% von den Übergebenden selbst vorgegeben, gesteuert und kontrolliert werden kann. Insoweit sollten wir uns auf den Lernprozess freuen, der uns bevorsteht. Er ergeben sich daraus Impulse für unser Tun, die uns schon hier und heute nach vorne bringen können und uns helfen, gemeinsam die richtigen Weichen zu stellen.

Wir müssen uns darauf einstellen, dass unser unternehmerisches Lebenswerk in den Augen der Nachfolgegeneration anders gesehen wird. Vielleicht als eine Art Familiy Equity - vielleicht aber auch als eine tolle Chance, sich in etwas Sinnvollem und Sinnstiftendem zu verwirklichen. Als Gründer und Pioniere unserer Ideen können wir dafür Vorbilder sein, indem wir unsere positiven Erfahrungen und unsere Werte teilen. Und wenn wir selbst Nachfolger waren, dann fallen uns sicher Dinge ein, die wir selbst immer schon besser machen wollten, wenn wir selbst in der Position sind.

Diese Kolumne hat Sie zum Nachdenken gebracht?
Sie machen ähnliche Erfahrungen und würden sich gerne dazu austauschen?

LERNEN SIE UNS KENNEN