Unternehmer sein heißt: etwas unternehmen


Wolf Maser ist Geschäftsführer, Familienunternehmer und Vizepräsident des LGAD, des Landesverband Bayern Großhandel Außenhandel Dienstleistungen e.V.
Seit über 50 Jahren steht Wolf Maser an der Spitze der Gebr. Maser GmbH. Der Nürnberger Unternehmer hat verschiedene Generationen und viele Veränderungen erlebt – und ist doch bis heute neugierig geblieben. Im triljen-Podcast spricht er über die Kunst, Verantwortung zu tragen, Entscheidungen zu treffen und den Mut, immer wieder neu anzufangen.
Hören Sie das Interview in voller Länger in unserem triljen-Podcast:
Lesen Sie hier die Zusammenfassung:
50 Jahre Unternehmer -
und immer noch neugierig
Joachim Schwichtenberg (triljen): Wolf, 50 Jahre als Geschäftsführer – das schaffen nur wenige. Wie bleibt man über so lange Zeit motiviert?
Wolf Maser: Mit einem Freund habe ich mal definiert: Wir sind so lange jung, wie wir neugierig sind. Neugier ist das, was mich antreibt – bis heute. Sie führt zu neuen Erfahrungen, zu Wissen und, wenn’s gut läuft, auch zu Können. Dieses Wissen weiterzugeben, es einzusetzen, das ist meine Energiequelle.
Für alle, die Euer Unternehmen nicht kennen: Was machen die Gebrüder Maser?
Gegründet wurde das Unternehmen 1938 von meinem Großvater und seinem Bruder – daher der Name. Jahrzehntelang waren wir klassischer Großhändler, zunächst für Schleifmittel. Wir standen immer zwischen Hersteller und Kunde – als Mittler, nicht nur als Verkäufer. Die klassische Frage war immer: Braucht es den Großhandel überhaupt noch? Meine Antwort darauf: Ja, wenn er seine Funktion erfüllt. Wenn er Leistung bringt, Mehrwert schafft und die Bedürfnisse seiner Kunden wirklich versteht.
Und wann ist das der Fall?
Mein Motto ist: Sehen mit den Augen des Kunden (und vielleicht auch schon Lösungen haben), bevor der Kunde diese Probleme überhaupt erkennt. Und deswegen war dann Überlegung, als ich doch ein gewisses Alter erreicht habe: Wie geht es denn weiter? Eine interne Lösung in der Familie gab es nicht. Also begann ich, nach einer externen Lösung zu suchen. Die haben wir Gott sei Dank 2019, also genau ein Jahr vor Corona, auch gefunden.
Der Großhandel ist seitdem nicht mehr unser klassisches Metier, sondern das, was ich schon die ganze Zeit mit aufgebaut habe, Beratung, Unterstützung, Coaching, insbesondere für Jungunternehmer.
Das Schöne bei mir ist, ich muss nichts mehr machen. Ich kann mir das so einteilen, wie ich will. Ich habe das neulich mal formuliert: Ich bin Unternehmer im Abklingbecken. Das heißt, wenn mich etwas reizt und du weißt, mich reizt einiges, dann mache ich das gerne. Und dann setze ich mich da auch voll mit ein. Und wenn es andere Dinge gibt, die in meinen Augen nicht mehr so notwendig sind, dann muss ich die auch nicht mehr machen.
Sprung ins kalte Wasser
Du hast das Unternehmen 1975 übernommen...
Ja, ich kam direkt aus der Ausbildung, ohne Studium, ohne Mastertitel oder irgendetwas in dieser Art. Alles das, was ich mir über die Jahrzehnte erarbeitet habe, ist reines Praxiswissen. Ich habe das Glück gehabt, eine gute Ausbildung erhalten zu haben, bei verschiedenen Lieferanten im In- und Ausland hospitiert und volontiert zu haben und mir damit schon mal eine gewisse Grundlage für die Übernahme des Unternehmens anzueignen.
Ich habe in den vielen Jahrzehnten viele Unternehmensübergaben bei meinen Kunden erlebt. Die haben manchmal geklappt. Das sind vielleicht so zehn, zwanzig Prozent, wo´s gut gegangen ist - alle anderen haben nicht so funktioniert, wie sie hätten sollen. Und in vielen Fällen war der Grund, dass die ältere Generation sich weiterhin an der Geschäftsführung mit beteiligt oder in die Geschäfte mit reingeredet hat.
Dieses Thema war für mich Gott sei Dank – oder leider, je nachdem wie ich es sehen will – keines. Der Vater hatte schon früher immer noch andere Unternehmen, für die er zuständig war, so dass er mit dem Schleifmittelgroßhandel so gut wie nichts zu tun hatte. Wir hatten da einen Prokuristen, der bis 1975 bei uns gewesen ist und Ende 1975 aufhören wollte.
Ich kam dann am 1. Juli dazu. Wir haben noch ein Vierteljahr zusammengearbeitet, und dann hat er zu meinem Vater gesagt: "Ach, Herr Maser, Ihr Sohn, der kann das schon ganz gut, da kann ich jetzt sofort aufhören. So wurde ich, wie man das früher gemacht hat, ins kalte Wasser geworfen. Mit allen Nachteilen: Ich hatte keine große Möglichkeit, mich zu erkundigen. Der Vorteil war: mir hat keiner reingeredet. Ich habe zu Anfang ganz viele Fehler gemacht, gar keine Frage. Aber ich hatte immer das Vertrauen meines Vaters, nach dem Motto: "Du machst das!"
Gab es Momente, die für Dich besonders prägend waren?
Viele. Zum Beispiel die Erfahrung, dass langfristige Pläne selten aufgehen. Unternehmer treffen Entscheidungen oft aus dem Bauch heraus. Das ist kein Mangel, sondern eine Stärke – wenn man aufmerksam bleibt. Ich habe über die Jahre einige Firmen gekauft und verkauft. Da lernt man, wie sensibel solche Prozesse sind. Der Preis ist nie alles. Es geht darum, den Menschen auf der anderen Seite zu verstehen.
Du sagst, Fünf- oder Zehn-Jahres-Pläne funktionieren kaum. Warum?
Weil das Leben schneller ist als jede Planung. Wer hätte 2019 den Lockdown vorausgesehen? Niemand – auch keine KI. Die Unternehmen, die zufällig volle Lager hatten, waren plötzlich die Gewinner. Das zeigt: Planung hilft, aber entscheidend ist, wie flexibel man reagiert.
Man wächst mit seinen Aufgaben.
Alles wird schneller
Ich halte nichts von der romantischen Überhöhung des Familienunternehmens. Es gibt hervorragende von angestellten Managern geleitete Betriebe und furchtbare Familienbetriebe. Entscheidend ist, ob Werte wirklich gelebt werden. Nachhaltigkeit zum Beispiel – das ist nicht ein Satz im Leitbild. Das ist, wenn der Großvater mit seinem Enkel in den Garten geht und sagt: „Den Baum da habe ich vor 50 Jahren gepflanzt.“ Solche Haltung, dieses Denken in Generationen, das ist für mich Unternehmenskultur.
Was hat sich in der Unternehmensführung seit 1975 verändert?
Die Geschwindigkeit. Früher schrieben wir Briefe, dann kam das Fax. Heute erwarten wir auf jede Mail innerhalb von Minuten eine Antwort. Gleichzeitig ist vieles unpersönlicher geworden. Standardisierte Rückmeldungen ersetzen echtes Kümmern. Das ist schade – und genau da liegt eine Chance für kleine und mittlere Unternehmen: Nähe zeigen, präsent sein, Verantwortung übernehmen.
Realismus. Viele wollen mehr Zeit, mehr Geld, weniger Arbeit. Das ist ein Irrtum. Selbstständigkeit bedeutet Verantwortung – und oft auch Verzicht. Aber wer bereit ist, zu lernen und klein anzufangen, hat große Chancen. Ich erinnere mich an ein Start-up, fünf Studenten mit einer guten Idee und falschen Vorstellungen von Rechtsformen. Da hilft es, die Dinge zu erklären, pragmatisch zu bleiben und Schritt für Schritt zu wachsen.
Der Großhandel ist die unbekannteste Wirtschaftsstufe Deutschlands. Seine Wertschöpfung liegt über der der Automobilindustrie – kaum jemand weiß das. Unsere Aufgabe ist, diese Bedeutung sichtbar zu machen. Wir verhandeln Tarifverträge, vertreten die Interessen der Branche und informieren unsere Mitglieder. Vor allem wollen wir zeigen: Der Großhandel ist vielfältig, leistungsfähig, systemrelevant.
Warum engagierst Du Dich persönlich so stark?
Weil ich glaube, dass man gestalten muss, statt nur zu kritisieren. Ich genieße den Austausch – ob im Wirtschaftsministerium, im Verband oder in Berlin. Und ich weiß, dass unsere Stimme als Praktiker zählt. Als das Lieferkettengesetz kam, hieß es: „Betrifft nur die Großen.“ Ich habe früh gesagt: Das wird durchgereicht an die Kleinen. Genau so ist es gekommen. Verantwortung beginnt nicht bei Paragrafen, sondern bei gesundem Menschenverstand.
Reden uns schlechter als wir sind
Wir reden uns oft schlechter als wir sind. Ludwig Erhard hat gesagt: 50 Prozent Wirtschaftspolitik sind Optimismus. Wenn der fehlt, lähmt das das ganze Land. Natürlich gibt es Probleme, aber wir brauchen wieder mehr Zuversicht. Wer in Problemen denkt, bekommt Probleme. Wer in Lösungen denkt, findet Lösungen.
Wir sind fünf sogenannte „Polit-Oldies“ aus vier Parteien – SPD, CSU, Grüne und FDP. Uns eint die Sorge um die Demokratie. Wir wollten zeigen, dass man miteinander reden kann, selbst wenn man unterschiedlich denkt. Wir veranstalten Podiumsdiskussionen, fördern Austausch, ermutigen zum Dialog. Demokratie lebt vom Mitmachen – sonst geht sie.
Ihr wurdet für Euer Engagement mehrfach ausgezeichnet. Woher kommt diese Energie?
Ich mag Bewegung. Ich nenne das meinen „Unruhestand“. Ich entscheide selbst, welche Termine ich wahrnehme. Ich bin Unternehmer im besten Sinne: Ich unternehme etwas – beruflich, politisch, gesellschaftlich.

Wie kommt Wolf Maser zum UEFA Nations League-Pokal? Die Auflösung gibt es nur, wenn man das den triljen-Podcast in voller Länge hört.
Mehr Unternehmergeist – in der Wirtschaft und in der Gesellschaft. Weniger Klagen, mehr Gestalten. Und dass wir wieder lernen, Chancen zu sehen statt Gefahren.
Würde wieder Unternehmer werden
Tradition oder Aufbruch?
Tradition.
Papier oder Tablet?
Papier.
Früh am Schreibtisch oder spät im Büro?
Früh am Schreibtisch.
Delegieren oder selbst anpacken?
Selbst.
Wachstum oder Stabilität?
Stabilität.
Und wenn Du heute neu anfangen könntest – würdest Du wieder Unternehmer werden?
Nach all den jahrzehntelangen Erfahrungen würde ich auf alle Fälle wieder Unternehmer werden. Kann mir nicht vorstellen, irgendwo als Angestellter oder als Mitarbeitender mit dabei zu sein. Da müsste ich schon viel Freiraum haben. Ich schätze diesen Freiraum als Unternehmer. Ich schätze die Möglichkeiten. Mir fällt morgens unter der Dusche etwas ein und nachmittags ist es schon umgesetzt. Das brauche ich. Das gehört mit dazu. Unternehmer sein: heißt etwas unternehmen.
Lieber Wolf Maser, vielen Dank für dieses Gespräch – und für fünf Jahrzehnte Mut, Verantwortung und Gestaltungswillen.
Tragen Sie auch Verantwortung in Ihrem Unternehmen? Spüren Sie, dass die Herausforderungen komplexer und die Veränderungen schneller werden?